Ein Hamburger Gericht äußert Zweifel an Karl Marx’ Verfassungstreue. Steht jetzt jeder Marx-Lesekreis unter Verdacht?

  • geissi@feddit.org
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    7 days ago

    Steht der Kapitalismus im Grundgesetz?

    Das ist eigentlich recht schnell geklärt.
    Art 14 GG sagt:

    (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

    Also es gibt Eigentum aber welcher Art ist nicht festgelegt. Dass “die Produktionsmittel” in privater Hand sein müssen geht daraus nicht hervor.

    Weiter haben wir:

    (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
    (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. […]

    Und Art 15

    Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung […] in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.

    Das klingt schon gar nicht so Kapitalistisch, eher im Gegenteil.

    Ansonsten steht afaik nichts im Grundgesetz, das irgendeine Wirtschaftsordnung vorgibt.

    • Saleh@feddit.org
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      14
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      7 days ago

      Art 20 Abs. 1 würde ich noch dazu nehmen:

      (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

      • kossa@feddit.org
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        7 days ago

        Welche Wirtschaftsordnung leitet sich denn aus

        • sozial oder
        • demokratisch oder
        • Bundesstaat ab?

        Ich meine, im Rahmen des Grundgesetzes hat sogar die CDU in den Anfangsjahren der Republik einen krassen sozialistischen Flügel unterhalten und die Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien gefordert.

        Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.

        CDU im Ahlener Programm. Fair enough 1947, aber in dessen Geiste wurde dann das GG geschrieben.

        • Saleh@feddit.org
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          7 days ago

          Es leitet sich nicht unmittelbar ein Wirtschaftsprinzip ab. Es setzt jedoch Grenzen, wie “Frei” die Marktwirtschaft höchstens werden darf.

          Lt. Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialstaatsprinzip


          Als Sozialstaatsprinzip (teilweise auch: Sozialstaatsgebot oder Sozialstaatspostulat) wird der verfassungsrechtliche Auftrag in Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes bezeichnet, nach dem die „Bundesrepublik Deutschland […] ein […] sozialer Bundesstaat“ ist. Gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG werden die Bundesländer an die Grundsätze des sozialen Rechtsstaates gebunden. Aber auch außerhalb des Art. 20 GG bestehen im Grundgesetz Vorschriften, die normative Grundlagen des Sozialstaatsprinzips bilden, so beispielsweise die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 GG oder der Schutz- und Fürsorgeanspruch der Mutter gegenüber der Gemeinschaft nach Art. 6 Abs. 4 GG. Die Sozialstaatlichkeit ist durch die sogenannte Ewigkeitsklausel (Art. 79 Abs. 3 GG) vor Verfassungsänderungen gesichert.

          Die sozialstaatliche Aktivität des Staates bezeugt sich durch den Katalog der Gesetzgebungskompetenzen in Art. 74 GG, die öffentliche Fürsorge ist in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG verbrieft und nimmt mangels konkret definierter Spezialzuständigkeiten in einer Vielzahl von Fällen die Stellung einer Generalklausel ein. Zum Zwecke der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet, verankert einerseits Art. 72 GG die Unitarisierung und folglich eine soziale Gleichbehandlung der Bürger, andererseits wird die Finanzwirtschaft über das Grundgesetz verpflichtet, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zu fördern und unterschiedliche Wirtschaftskräfte auszugleichen.

          Dem Prinzip eines formalen liberalen Rechtsstaats folgend wird den Bürgern die rechtlich gesicherte Freiheit gewährleistet. Um die Freiheit real werden zu lassen, bedarf es der Ergänzung durch das Sozialstaatsprinzip. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet deshalb die öffentliche Gewalt, also den Gesetzgeber, die Rechtsprechung und die Verwaltung dazu, nach sozialen Gesichtspunkten zu handeln und die Rechtsordnung dementsprechend zu gestalten.

          Das Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland wird daher als Soziale Marktwirtschaft bezeichnet, da der Staat der Wirtschaft einen Ordnungsrahmen vorgibt, der für einen sozialen Ausgleich sorgen soll, während sich die Wirtschaft am Markt orientiert; dabei stellt die Marktorientierung das Gegenteil zur zentralen Planwirtschaft dar, während der soziale Aspekt negative Folgen einer reinen Marktwirtschaft abmildern beziehungsweise ganz verhindern soll.

        • squaresinger@lemmy.world
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          6 days ago

          Es beschränkt zumindest dass die Wirtschaftsordnung sozial sein muss. Anarchokapitalismus oder andere asoziale Formen des Kapitalismus sind damit schon mal raus.

          • You@feddit.org
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            6 days ago

            Anarchokapitalismus oder andere asoziale Formen des Kapitalismus sind damit schon mal raus

            Hat das schon jemand den Leuten bei der CxU gesteckt?

            • squaresinger@lemmy.world
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              6 days ago

              Ich glaube es wäre Zeit die Verfassungstreue der CxU anzuzweifeln. Auf der anderen Seite habe ich da wenig Hoffnung in Anbetracht der Tatsache dass die AfD noch existiert.

  • bungalowtill@lemmy.dbzer0.com
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    7 days ago

    „Die auf die Theorien von Karl Marx zentrierte Betätigung des Klägers steht prinzipiell im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“

    Die Betätigung: Analyse unseres Wirtschaftssystems.

    Der Weg nach unten wird immer steiler.

  • germanatlas@lemmy.blahaj.zone
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    7 days ago

    Am besten werden alle Lesekreise zu Autoren verboten, die vor 1949 verstorben sind; wie könnten die schließlich einer Verfassung treu sein, die es noch nicht gab?